Der erste Ruhetag der Tour und der Tag danach

Wirklich ruhig ist es nicht, an so einem Ruhetag. Es gibt viel zu tun, sowohl für die Mechaniker, die Betreuer, die sportlichen Leiter, als auch für die Fahrer. Einzig und allein, dass heute kein Rennen gefahren wird, macht den Unterschied.

Die Mechaniker und Betreuer sind die ersten, die früh morgens auf der Matte stehen. Die Zeitfahrräder vom Einzelzeitfahren am Montag in Besançon müssen geputzt und in Ordnung gebracht werden und die normalen Team-Räder werden für die kleine Ausfahrt am Ruhetag vorbereitet. Ist Luft auf den Reifen, funktioniert die Schaltung noch, ist das SRM-Powermeter aufgeladen?
Während die Mechaniker sich um die Räder kümmern, bereiten die Betreuer die Verpflegung für die bevorstehende Ausfahrt vor, füllen Flaschen auf, stellen Cola und Bananen bereit, saugen die Fahrzeuge aus, waschen Wäsche, räumen den Bus auf und lassen sich zwischendrin auch mal einen Cappuccino schmecken.

Die sportlichen Leiter sind derweil damit beschäftigt ein geeignete Strecke für die Ruhetagsausfahrt zu planen. Denis Menchov möchte gerne noch etwas intensiver am Berg trainieren. Ein anderer sportlicher Leiter macht sich in der Zwischenzeit auf den Weg zu einem Reifenhändler. Die Tour ist nicht nur ein Radrennen, die Tour ist auch eine knallharte Rallye für alle Fahrzeuge. Und so kommt es, dass nach nur einem halben Jahr vier neue Reifen her müssen.

Die Fahrer hingegen können heute mal ausschlafen. Naja, um 11 Uhr geht es los zu einer zweistündigen Ausfahrt. Ausschlafen ist also Interpretationssache. Nachdem sie in Ruhe gefrühstückt haben, ziehen sich die Fahrer ihre Radklamotten an und sammeln sich am Bus.

Ich zähle kurz durch, neun Leute in Katusha-Farben. Liegt Oscar nicht mit einer gebrochenen Rippe im Krankenhaus? Der neunte Mann ist kein geringerer als Katusha Generalmanager Hans-Michael Holczer persönlich. Kurz nach elf schwingen sich die Jungs auf ihre Canyon Maschinen und ich tue das auch. Mit Dimitry Konyshev als sportlichem Leiter im Fahrzeug hinter uns, geht es auf die Strecke. Zwei Stunden sind geplant. Es geht gemütlich los, erst flach mit vielen Autobahnbrücken, dann etwas zügiger, aber auch steiler.

Im Flachstück sagt Hans-Michael Holczer noch zu mir: “Wenn es hügelig wird, steig ich aus.” Jetzt ist er plötzlich mittendrin. Wir versuchen noch mit den Profis Schritt zu halten, aber das sind nicht umsonst Profis. Der Generalmanager nimmt kurz Sporthilfe am Teamwagen in Anspruch, um zu erfahren, dass der Anstieg 7 Kilometer lang ist. Das ist der Punkt an dem wir das Tempo drastisch reduzieren.
Immerhin haben wir uns schon nach den ersten 2 Kilometern am Berg, fast aus den Schuhen gefahren. Konnte ja keiner ahnen, dass es auch in Frankreich so lange Anstiege gibt.
Und so bilden wir zu zweit ein Gruppetto und fahren mehr oder weniger relaxed mit guten Gesprächen dem Gipfel entgegen.

Kurz bevor wir oben ankommen, saust uns Denis Menchov entgegen, er fährt den Berg noch ein zweites Mal. Wenige Sekunden später kommt der Rest der Mannschaft, bis auf einen Spanier und einen Weißrussen, die schon nach etwa 10 Kilometern die Segel streichen und die Ruhe am Ruhetag in einem Café genießen.
Ohne Denis, der sich noch am Berg quält, fahren wir zurück nach Macon ins Team Hotel. Hier warten schon die Mechaniker darauf, die Räder zu checken und zahlreiche Fans vor dem Katusha Bus sind ganz gierig nach Katusha Mützen und Trinkflaschen – sehr beliebte Souvenirs bei Radrennen.

Die Mechaniker kümmern sich jetzt wieder um die Räder, die Betreuer oder auch Soigneure genannt, sammeln die Klamotten der Fahrer zum Waschen ein während die Sportler in einem Laderaum eines Katusha Transporters ein 12 Grad kaltes Recovery-Bad nehmen, dass den Körper entschlacken und entgiften soll.

Inzwischen ist es 13:30 Uhr. Die Mechaniker werden unruhig. Vor einer halben Stunde sollte es Mittagessen geben. Aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Und schließlich warten wir noch auf Denis, der heute anstatt zwei Stunden drei trainiert.

Nach dem Mittag merkt man dann, dass zumindest für die Fahrer jetzt der Ruhetag begonnen hat. Die einen schlafen, andere lassen sich massieren, einer braucht neue Zahnpasta, ein anderer muss in der Stadt was erledigen und wieder andere lecken ihre Wunden der vergangen Tage. Ach ja, die Presse ist auch vor Ort und ringt ungeduldig um Interviewtermine mit den Sportlern.

Ein Ruhetag hinter den Kulissen, live dabei – für die einen mehr Ruhe, für die anderen weniger.


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Tour de France - 2012


























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